Pico ist ein zehn jähriger Westfahlen Wallach, der bei Farina im schönen Stemwede wohnt. Ich lernte die beiden als reine „Bodenarbeiter“ kennen, denn das Reiten war zunächst abgeschrieben.
Als selbstgezogener Nachwuchs durfte Pico mit anderen jungen Pferden aufwachsen, ehe er vierjährig das erste Mal in Beritt ging. Es lief zunächst alles gut unter dem Sattel und das Pferd machte einen guten Eindruck. Doch irgendwann kamen kleine Aussetzer dazu, bei denen er ohne Vorwarnung den Hintern einzog und voll durchstartete. Er war außerdem nicht taktrein und stolperte viel. Also wurde ein Gang zurück gefahren und das Pferd untersucht. Der Tierarzt stellte eine Kreuz-Darmbein-Gelenksentzündung fest und verordnete Pause und Behandlung.
Die bekam Pico auch und wurde fast sechsjährig mit viel Ruhe erst wieder von Farina zu Hause antrainiert und erneut in Beritt gegeben. Dort verlief zunächst alles wieder gut, bis die Aussetzer zurück kamen und Pico seine Reiter absetzte. Nun wurde in der Klinik untersucht. Das Resultat waren „lockere“ Kniebänder, die natürlich zu einer Instabilität der Hinterhand führen. Pico wurde erneut behandelt und bekam Pause. Die Tierärzte sahen danach gute Chancen für ihn noch einmal ein Reitpferd zu werden und gaben grünes Licht.
Trotzdem war Farina mit dem Thema Reiten erst einmal durch und freute sich auf schöne Übungen und die weitere Ausbildung am Boden. Vor allem an der Longe sah ich dann das erste Mal die mangelnde Kraft in der Hinterhand, vor allem im Trab und Galopp. Pico verlor die Balance und zischte los. Viele Seitengänge und das Longieren an der Doppellonge bauten Muskeln auf, die nicht nur seinem ganzen Körper gut tun, sondern vor allem die Hinterhand stärken. Die beiden fanden Gefallen an Spaziergängen, der Handarbeit und Geschicklichkeitsübungen und wuchsen zu einem starken Team zusammen. Nach 1,5 Jahren war die Hinterhand soweit gestärkt, dass Pico keine „wackelnden“ Runden an der Longe mehr machte und sich körperlich um einiges weiter entwickelt hat.
Wir widmeten uns dem Thema Reiten nun ein letztes Mal. Farina sagte mir, dass sie ihr Pferd liebt, wie es ist. Ob es nun jemals noch ein Reitpferd wird oder nicht, ist ihr ganz egal. Und wenn sie in 10 Jahren vielleicht eine Schrittrunde ausreiten kann, ist das auch in Ordnung.
Somit hatte Pico das wichtigste überhaupt: Zeit.
Also hüpften wir lustig am Pferd herum, was er erstmal gar nicht toll fand. Bis das Aufsteigen ohne Verspannung funktionierte, vergingen Wochen. Beim Reiten führte ich die beiden zunächst über den Reitplatz. Da ich nur ein bis zwei Mal im Monat nach Stemwede fahre (aufgrund der Entfernung), machten wir immer nur dann erst etwas Neues. In der Zwischenzeit halfen Farina ihre Schwester und ihr Vater. Ich vergrößerte den Abstand beim Führen und ging irgendwann an der Longe nebenher. Immer wenn Pico unsicher wurde, legten wir eine Pause ein und fragten das weiche Nachgeben ab. Wir mussten immer wieder an Entspannung und Ruhe arbeiten, dem Pferd und Farina ganz viel Sicherheit geben.
Seid 2016 begleite ich die beiden nun. Ende letzten Jahres saß Farina das erste Mal wieder auf ihrem Pferd. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind wir soweit gekommen, dass sie ihren Pico an der Longe im Schritt und Trab über den Platz reiten kann. Unser Plan sind nun auch die Seitengänge mit unterstützender Hilfe von unten. Vielleicht reiten die beiden nächstes Jahr auch im Galopp, vielleicht auch nicht. Vielleicht wird Pico auch immer ein Longenpferd im Schritt und Trab bleiben. Sicher ist, dass das größte Geschenk für beide die Zeit miteinander ist. Jedes Mal, wenn ich da bin, machen wir etwas Neues und arbeiten uns in diesen Mini-Schritten voran.
Die beiden sind – auch für mich – das beste Beispiel dafür, dass eine unverbindliche Pferdeausbildung mit unendlich viel Zeit kleine Steine ins Rollen bringt. Farinas Einstellung und Geduld zahlen sich aus und ich hoffe, wir werden noch viele noch so kleine Erfolgserlebnisse haben!